47 Meilen durch die komplette Wildnis auf einer wilden Schotterpiste zu fahren, klingt auf den ersten Blick vielleicht nicht nach Spaß. Wer aber sein Gefährt zum ersten Mal vom Asphalt in die schier endlosen Wüsten und Steppen des amerikanischen Südwestens gesteuert hat, leckt in der Regel Blut und wird süchtig nach dieser nicht immer ganz ungefährlichen Grenzerfahrung abseits von Zivilisation, Handyempfang und gut ausgebauten Highways. Die Cottonwood Canyon Road ist eine gute Strecke, um sich mal auszuprobieren, bevor man härtere Kaliber ansteuert und auf der man trotzdem schon betörende Eindrücke von unberührter US-Wildnis erleben kann.
Die Cottonwood Canyon Road ist eine 47 Meilen lange (76 Kilometer) Dirt Road, die in großen Teilen das Grand Staircase-Escalante National Monument durchquert, ein gigantisches Naturschutzgebiet von 7689 Quadratkilometern, welches das größte seiner Art im Kernland der USA ist. Auf einer Ost-West-Ausdehnung von über 150 Kilometern gibt es keine geteerte Straße, die dieses Gebiet von Süden nach Norden (bzw. umgekehrt) durchschneidet…für Europäer ist sowas eigentlich unvorstellbar.
Damit ihr eine Vorstellung von den Straßenverhältnissen und der Natur rundherum bekommt, haben wir unser Videoarchiv geplündert und euch einen recht schnörkellosen Timelapse-Clip zusammengezimmert. Also erwartet keine Schnittorgien oder raffinierten Übergänge…es ist lediglich ein einfacher Zusammenschnitt unserer Cottonwood Canyon Road-Fahrtetappe, der hoffentlich einen guten Überblick darüber liefert, was euch auf der Strecke erwartet.
Die Cottonwood Canyon Road wurde als Versorgungsweg für Stromleitungen gebaut und ist deswegen auch lediglich eine Schotterpiste, die bei guten Wetterverhältnissen mit einem kleinen SUV locker befahrbar ist. Allrad-Antrieb ist unter optimalen Bedingungen nicht mal nötig, etwas Bodenfreiheit (wie eben bei kleinen SUVs) würden wir aber schon empfehlen. Tatsächlich sind uns bei unserer Fahrt aber auch Ford Mustangs auf der Strecke begegnet. Das würden wir jetzt aber nicht unbedingt empfehlen…
Die Road Conditions Ende März 2020. Die gelbe Markierung zeigt, dass die Straße aktuell nicht im besten Zustand ist und auf jeden Fall Allrad-Antrieb (4WD) benötigt wird. Bei dieser Ansage würden wir definitiv vor dem Antritt mit einem ortskundigen Ranger sprechen, ob es risikofrei möglich ist, die Strecke zu fahren. (Screenshot Glen Canyon National Recreation Area-Website)
Habt ihr die offiziellen Straßenverhältnisse auf der Website gecheckt, solltet ihr euch sicherheitshalber unbedingt nochmal im BLM Kanab Visitor Center (wenn man von Süden kommt) oder im Cannonville Visitor Center (wenn von Norden) informieren, ob die Strecke am geplanten Zeitpunkt auch wirklich befahrbar ist und was für ein Wetter für den angepeilten Tag gemeldet ist, denn hat es an den Tagen zuvor geregnet oder geschneit, solltet ihr unbedingt von dem Dirt-Road-Trip absehen.
2016 war unser Startpunkt in Cannonville, Utah auch gleichzeitig unser Endpunkt. Die Strecke war laut einem Ranger unpassierbar.
Wir haben es übrigens auch erst beim zweiten Anlauf geschafft. 2016 hat uns ein Ranger in Cannonville, Utah aufgrund von heftigen Regenfällen an den Tagen zuvor deutlich von der Strecke abgeraten, 2017 bekamen wir den Daumen nach oben. Wirklich verboten hätte uns den Trip im Vorjahr niemand, aber wer mit gesundem Menschenverstand an die Sache rangeht, lässt die Planung eben fallen, wenn der Ranger entschieden den Kopf schüttelt.
Passen die Bedingungen, ist die Cottonwood Canyon Road eine angenehm einfache Möglichkeit um vom südlichen Utah auf einer spannenden, abwechslungsreichen Strecke tiefer in den vielleicht faszinierendsten Bundesstaat der USA vorzudringen und am Abend mit dem spektakulären Highway 12 wieder geteerte Straße unter den Füßen zu haben. Dafür könnt ihr tagsüber in die Wildnis eintauchen und euch durch ein Felsen-Wunderland verschiedenster Farben manövrieren, ohne dabei größere Offroad-Meisterwerke abverlangt zu bekommen. (Hoffentlich) Trockene Flußbetten und vereinzelte sandige Passagen sollten das höchste der Gefühle sein, womit ihr bei guten Bedingungen zu tun bekommt.
Zu Beginn ist die Landschaft – wenn ihr von Süden kommt – extrem offen und weitläufig und folgt sehr vage dem Paria River, bevor die Strecke in ein schmaleres Tal einbiegt, in welchem sich immer wieder Steppen-artige Weite mit spektakulären Felsformationen abwechselt.
Der beeindruckendste Teil ist vermutlich der zerklüftete Canyon-Teil, der auch co*ckscomb – Hahnenkamm – genannt wird. Hier räkeln sich die roten und teilweise fast weißen Felszacken eben wie ein Hahnenkamm in den stahlblauen Wüstenhimmel und brennen sich als monumentale Südwest-Kulisse regelrecht ins Reise-Gedächtnis ein. Dazu gesellt sich in der Regel komplette Stille und Einsamkeit, denn auch wenn hier und da ein Auto entgegenkommt, ist man hier die meiste Zeit mit sich und dem Hahnenkamm alleine.
Wer noch auf der Suche nach einer Besonderheit ist, dürfte beim Grosvenor Arch fündig werden, dem ca. 30 Meilen nach dem Dirt-Road-Start (aus südlicher Richtung) eine Abbiegung gewidmet ist. Auf einer einfachen staubigen Piste geht es zu einem Parkplatz, an dem es neben einigen Picknickplätzen sogar ein Toilettenhäuschen gibt. Die wahre Attraktion liegt aber einige hundert Meter Fußweg entfernt: Der Doppelfelsbogen namens Grosvenor Arch, der vor allem in der Nachmittagssonne im perfektem Licht in allen erdenklichen Gelb- und Orangetönen leuchtet. Bei uns war es leider etwas bedeckt, die Location war aber trotzdem mega! Wer Zeit hat, kann auch bis zum Bogen nach oben wandern.
Ab hier zogen bei unserer Offroad-Etappe dunkle Wolken am Horizont auf und wir wollten unser bisheriges Glück nicht auf die Probe stellen, weswegen wir das verbleibende Stück Richtung Norden etwas auf’s Gas drückten. Als wir am Hackberry Creek ankamen, erwies sich das auch als gute Entscheidung. Dort kreuzt die Cottonwood Canyon Road ein kleines Rinnsal von Fluss, durch welches man zwangsläufig durchfahren muss. Bei trockenen Straßenverhältnissen nicht weiter dramatisch, bei Regenfällen in der Nähe kann dieser Teil aber schnell zu einem unüberwindbaren Hindernis werden, der bedeuten kann, dass man den gesamten Weg wieder zurückfahren muss.
Merke: Selbst bei grünem Licht vom Ranger solltet ihr das Wetter immer wachsam im Auge behalten!
Kurz hinter dieser letzten kritischen Passage bekommt ihr wieder Asphalt unter die Räder und seid nur noch wenige Meilen von Cannonville, Utah entfernt. Bevor ihr den Ort erreicht, könnt ihr auf Wunsch noch in den Kodachrome Basin State Park abbiegen, den wir bei unserem Trip leider nicht mehr geschafft haben.
In Cannonville angekommen, habt ihr nun die Möglichkeit auf dem Highway 12 Richtung Nordwesten zu fahren. Der Bryce Canyon ist nur wenige Meilen entfernt, entsprechend gibt es auch eine ganze Menge an touristischer Infrastruktur in der Nähe (halbwegs günstige Übernachtungsmöglichkeiten in Panguitch und Tropic). Richtung Osten wartet hingegen eine der spannendsten (geteerten) Strecken im gesamten Südwesten darauf, von euch erobert zu werden. Übernachtungsmöglichkeiten sind allerdings recht rar gesät und dementsprechend teuer. Umgekehrt (also bei Nord-Süd-Befahrung) habt ihr mit Kanab und Page gleich zwei touristisch gut ausgebaute Zentren in der Nähe des Dirt-Road-Endes.
Wie lässt sich die Cottonwood Canyon Road am besten in einem Road Trip einplanen?
Eine Überlagerung der Google-Maps-Routen von Cannonville aus. Rechts von Cannonville nach Süden ist die Cottonwood Canyon Road zu sehen, links der Umweg über den Highway 89. [Screenshot: Google Maps]
Es ist eigentlich ganz einfach: wenn ihr vom Bereich des Bryce Canyon National Parks nordwestlich von Cannonville nach Süden wollt oder es euch aus der Ecke Page/Grand Canyon North Rim/Zion National Park nach Norden zieht, ist die Cottonwood Canyon Road ein passendes Mittel, um eine besonders spannende Fahrtetappe einzubauen. Plant nur aufgrund der immer möglichen Wetterumschwünge genug Zeit für den Umweg ein, der eigentlich nur über den Highway 89 führen kann, der 40-50 Kilometer weiter westlich verläuft. Die 125 Meilen Asphalt-Alternative dürfte euch zeitlich allerdings gar nicht so viel Zeit kosten, Google Maps gibt sie gar 8 Minuten schneller an, als die nur 47 Meilen lange Cottonwood Canyon Road.
Wir kamen im Jahr 2017 aus St. George und wollten nach Panguitch in der Nähe des Bryce Canyon National Parks und haben die Cottonwood Canyon Road als Alternative zum (übrigens auch sehr schönen) Highway 89 gewählt. Abends war dann noch genug Zeit für ein Abstecher zum geliebten Bryce Canyon! Ein perfekter Tag im Wilden Westen!
Zusammengefasst: Wenn ihr in der Nähe seid und etwas Zeit übrig habt, lohnt sich die Cottonwood Canyon Road bei guten Witterungsbedingungen unbedingt, um deutlich ungefilterter und direkter in die sagenhafte Natur des Grand Staircase-Escalante National Monuments vordringen zu können.
Noch nicht genug von Dirt-Roads? Checkt unbedingt unsere Top 3-Auflistung ab!
Jetzt interessiert uns aber natürlich auch eure Meinung! Seid ihr schon auf der Cottonwood Canyon Road unterwegs gewesen? Welche Tipps habt ihr für die Etappe? Was könnt ihr spannendes in der Umgebung empfehlen?
- Kategorie:Drauflos Travel
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Veröffentlicht von drauflos
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